So wird die Immobilie im Erbfall nicht zum Streitfall

«Redet ihr in eurer Familie noch miteinander, oder habt Ihr schon geerbt?» Ein Erbfall kann oftmals Auslöser für einen Familienzwist sein. Insbesondere wenn die Erbmasse eine Immobilie enthält, wird die Erbteilung bedeutend erschwert und führt nicht selten zu Streitigkeiten unter Verwandten. Mit dem richtigen Vorgehen kann ein Streitfall aber in den meisten Fällen vermieden werden.

Unterschiedliche Interessen unter den Erben

Das einfachste Szenario stellt sich dar, wenn kein Erbe an der Immobilie interessiert ist. Dann kann sie verkauft und deren Erlös dem restlichen Vermögen zugeschlagen werden, was die anschliessende Aufteilung erleichtert. Sollte die Immobilie dagegen nicht verkauft, sondern in der Familie bleiben, entstehen mindestens zwei potenzielle Streitpunkte. Zum einen lässt sich die Immobilie in der Regel nicht unter den Erben aufteilen, was heisst, dass nur ein Nachkomme sie übernehmen kann. Es stellt sich also die Frage, welcher Erbe sie übernehmen wird. Zum anderen gilt es, den Wert für die geerbte Immobilie anzusetzen. Während der Erbe, welcher das Objekt übernimmt, natürlich einen möglichst niedrigen Wert anstrebt, werden die restlichen Erben der Immobilie einen möglichst hohen Wert zumessen wollen. Der Gesetzgeber minimiert diesen Bewertungsspielraum, indem er vorschreibt, dass Immobilien bei der Erbteilung zum Verkehrswert anzurechnen sind. Um diesen zu ermitteln, sollte ein Experte beigezogen werden, welcher die Immobilie objektiv und marktgerecht bewertet.

Übertragung zu Lebzeiten

Damit es im Erbfall nicht zum Streit über die Frage kommt, wem die Immobilie zugesprochen wird, sollte sich der Erblasser bereits zu seinen Lebzeiten Gedanken über die Zuweisung der Immobilie machen. Dabei ist zu empfehlen, dass bei dieser wichtigen Entscheidung alle künftigen Erben aktiv miteinbezogen werden, damit das Vorgehen für alle transparent ist und sich niemand übervorteilt fühlen muss.

Bei der Übertragung zu Lebzeiten kommen folgende Wege infrage: ein Verkauf zum Verkehrswert, eine Schenkung bzw. ein Erbvorbezug oder eine gemischte Schenkung.

Verkauf zum Verkehrswert

Die erste Möglichkeit, eine Immobilie bereits zu Lebzeiten an einen Erben zu übertragen, ist der Verkauf zum Verkehrswert. Der Verkehrswert entspricht dem Preis einer Immobilie, der zum Zeitpunkt des Verkaufs am Markt erzielt werden kann und wird in einer Immobilienbewertung ermittelt. Sollte die Immobilie an einen Erben zum Verkehrswert verkauft werden, hat es für die restlichen Erben zur Folge, dass sie im Falle des Ablebens des Erblassers keine Ansprüche auf eine allfällige in der Zwischenzeit entstandene Wertsteigerung mehr haben.

Schenkungen müssen ausgeglichen werden

Erhält ein künftiger Erbe die Immobilie zu Lebzeiten des Erblassers geschenkt, hat er den geschenkten Betrag spätestens im Rahmen der Nachlassabwicklung auszugleichen (sofern die Ausgleichung im Vertrag nicht ausdrücklich wegbedungen wurde). Damit wird sichergestellt, dass alle Erben wertmässig gleichgestellt sind. Anders als beim Verkauf zum Verkehrswert wird bei der Schenkung nicht nur der Wert der Immobilie zum Zeitpunkt des Erbvorbezugs berücksichtigt, sondern auch die allfällige in der Zwischenzeit erfolgte Wertsteigerung.

Gemischte Schenkung

Bei der gemischten Schenkung schenkt der Erblasser seine Immobilie dem Nachkommen oder überlässt sie ihm für einen Preis unter dem Marktwert, allerdings unter einer bestimmten Bedingung. Bedingungen könnten beispielsweise eine Übernahme einer Hypothek, eine geldwerte Leistung oder ein lebenslanges Wohnrecht sein. Auch bei der gemischten Schenkung sind der geschenkte Betrag und die allfällige Wertsteigerung gegenüber den restlichen Erben auszugleichen.

Je nach Ausgangslage können Erbvorzüge und gemischte Schenkungen zu hohen finanziellen Belastungen des Begünstigten führen. Der begünstigte Erbe sollte diese deshalb berücksichtigen und entsprechen einkalkulieren.

Fachperson zum Teilungsbeauftragten bestimmen

Falls keine Übertragung zu Lebzeiten erfolgt, müssen sich die Erben untereinander selbstständig einigen können. Sind sie dazu aufgrund verschiedener Interessen nicht in der Lage, bleibt ihnen die Möglichkeit, eine Fachperson zu bestimmen, die ihnen bei der Teilung hilft und allfällige Streitigkeiten zu lösen versucht. Sollten sie sich dennoch nicht einigen können, bleibt nur eine gerichtlich herbeigeführte Erbteilung übrig, die aufwendig und kostspielig ist.